Hand aufs Herz: Welches Bild kommt Ihnen beim Begriff Wassergymnastik zuerst in den Sinn? Für so manchen werden es wohl Damen und Herren älteren Semesters sein, die gemächlich ein paar einfache Gymnastikübungen in einem Pool machen. Auf den ersten Blick hinterlässt diese Vorstellung tatsächlich nicht den Eindruck einer aktiven und durchaus fordernden sportlichen Betätigung. Doch das täuscht: Kaum ein anderes Ganzkörper-Fitnesstraining – und das ist Wassergymnastik – schafft es, Effektivität und die Schonung des Körpers auf einem derart hohen Level zu verbinden. Kein Wunder also, dass es immer mehr Angebote dafür gibt. Zumal sich auch das Image der ursprünglich gemütlich anmutenden Gymnastik im Wasser gewandelt hat: Unter Bezeichnungen wie Aquafit oder Aquagym hat es sich längst zu einem echten Power-Fitnesstraining entwickelt.
Das Element Wasser
Warum aber ist das Training im Wasser derart schonend und effektiv zugleich? Dafür lohnt es sich die Eigenschaften von H2O genauer unter die Lupe zu nehmen: Durch die hohe Dichte und den damit verbundenen Auftrieb des Wassers fühlt sich das eigene Körpergewicht um ein Vielfaches leichter an. Das hat zur Folge, dass Gelenke, Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder bei den verschiedenen Übungen bedeutend weniger belastet werden, als das beim Training im Trockenen der Fall ist. Beim Joggen zum Beispiel muss der Fuß bei jedem einzelnen Schritt die Wucht des gesamten Körpergewichts abfedern. Betreibt man hingegen Aquajogging, wird diese Belastung durch den Wasserauftrieb ganz erheblich reduziert. Und das bei einer zeitgleich höheren Effektivität: Die lässt sich beim Laufen unter Wasser mit dem Wasserdruck erklären, der mit zunehmender Tiefe immer höher wird. Das wird jeder bestätigen, der schon einmal versucht hat sich in einem Pool schnell zu bewegen und dabei feststellen musste, dass ein Vorankommen gar nicht so einfach ist. Der Körper wird bei der Wassergymnastik also nicht nur durch die Übungen selbst gefordert. Er muss zusätzlich auch gegen den Widerstand des Wassers einwirken.
Was macht man bei Wassergymnastik
Wassergymnastik kann überall dort praktiziert werden, wo man einen guten, ebenen Stand im Wasser hat. Idealerweise ist das in einem Pool, alternativ aber auch in einem See oder im Meer, wenn der Untergrund diese Anforderungen erfüllt. Besonders wichtig: Betreibt man Wassergymnastik draußen, ist ein guter Sonnenschutz ein absolutes Muss! UV-Strahlen dringen nahezu ungehindert bis in eine Wassertiefe von 30 cm vor und werden durch die Reflexionen an der Wasseroberfläche zusätzlich verstärkt. Die ideale Wassertiefe, um die Übungen gut ausführen zu können, liegt zwischen 1,10 und 1,35 m: Das Wasser sollte einem mindestens bis zum Bauchnabel und höchstens bis zur Brust reichen. Nahezu alle Übungen, die man im Trockenen macht, können auch ins Nass verlegt werden. Außer einer Badehose, einem Bikini oder Badeanzug braucht man eigentlich keine Ausrüstung. In Kursen wird jedoch häufig mit diversen Trainingsaccessoirs, wie Pool-Nudel, Hanteln, Flossen, Schwimmbrett oder Schwimmgürtel trainiert, die meist der Trainer zur Verfügung stellt. Noch eine Stufe aktiver und auch anstrengender wird das Ganze beim Aquabiking und Aquastepping, wo im Pool auf speziellen Fahrrädern bzw. Steppern trainiert wird. Wie bei jeder anderen Sportart ist es auch bei der Wassergymnastik wichtig, den Bewegungsapparat entsprechend gut vorzubereiten. Am effizientesten ist es, vor dem Übungsprogramm ein paar Minuten zu schwimmen oder auf der Stelle zu joggen. Denn auch im warmen Wasser eines Pools kann der Körper recht schnell auskühlen.
Wie wirkt das Workout im Wasser
Wassergymnastik ist eine wunderbare Trainingsmethode für den gesamten Körper. Bauch, Beine, Arme und Rücken werden durch die Übungen unter Wasser gleichermaßen gestärkt, indem Muskeln aufgebaut werden. Zudem ist es enorm wirksam: Eine Minute Wassergymnastik bringt ungefähr so viel, wie fünf Minuten Training im Trockenen. Der Stoffwechsel wird angeregt, das Bindegewebe gestrafft. Somit geht es beim Training unter Wasser auch der Cellulite an die ungeliebten Dellen. Durch den erhöhten Energieaufwand purzeln mehr Kilos. Auch weil der Körper nicht nur gegen den erhöhten Wasserwiderstand ankämpft, sondern der Organismus auch die Fettverbrennung ankurbelt, um ein Auskühlen im Wasser zu verhindern. Da das Herz unter Wasser 15 bis 20 Schläge langsamer, dafür aber stärker schlägt, wird das Herz-Kreislauf-System gestärkt. Und die Gelenke werden durch das geringe Gewicht, das der Körper durch den Wasserauftrieb tragen muss, effektiv geschont. Nicht zu unterschätzen ist aber auch der Entspannungsfaktor, der sich in dem meist rund 30° C warmem Wasser wie von selbst einstellt.
Für wen ist Wassergymnastik empfehlenswert
Mit seiner vielseitigen Wirkung, vor allem aber, weil das Training so schonend ist, ist Wassergymnastik ein empfehlenswertes Ganzkörper-Fitnessprogramm für so ziemlich jeden, der Bewegung und Sport in seinen Alltag einbauen möchte. Zusätzlich gibt es diverse Beschwerden und Krankheitsbilder, bei denen regelmäßige Wassergymnastik besonders empfehlenswert oder sogar fixer Bestandteil von Therapie- oder Reha-Programmen ist.
- Speziell nach Gelenkoperationen, z. B. an Hüfte, Schulter oder Knie, ermöglicht Wassergymnastik recht früh eine schmerzfreie Bewegung und einen schonenden Muskelaufbau. Sie wird deshalb häufig in der Rehabilitation nach orthopädischen Eingriffen empfohlen.
- Im Wasser muss der Körper nur einen Bruchteil seines Gewichts tragen. Menschen mit Rückenbeschwerden, Problemen mit Bändern oder Gelenken können im Wasser schmerzfrei trainieren und ein stützendes Muskelkorsett aufbauen.
- Bei Knie- oder Hüftarthrose eignet sich einer australischen Studie zufolge Wassergymnastik hervorragend dafür, schmerzfrei im aeroben Bereich zu trainieren. Sowohl die funktionelle Leistungsfähigkeit als auch die Gehgeschwindigkeit lassen sich durch Unterwasserübungen steigern.
- Durch die geringe Belastung für Gelenke und Knochen wird bei diagnostizierter Osteoporose Wassergymnastik als unterstützende Maßnahme empfohlen, um die Knochendichte zu steigern.
- Menschen mit starkem Übergewicht oder Adipositas können durch den Wasserauftrieb schonend trainieren, ohne ihre Gelenke und Wirbelsäule übermäßig zu belasten.
- Bei Gefäßerkrankungen, wie Venenschwäche, Lipödem oder Lymphödem, kann im Wasser schonend trainiert und können Beschwerden effektiv gelindert werden. Der Wasserdruck hat einen Drainage- und Massageeffekt auf das Gewebe, Venen werden unterstützt und durch die beim Training aufgebaute Muskulatur entlastet. Besonders ideal für Patienten mit diesen Krankheitsbildern ist das Aquajogging.
- Rheumapatienten können durch die schonenden Übungen im Wasser, die den Körper zwar fordern aber nicht überfordern, die Beweglichkeit der erkrankten Gelenke erhalten oder verbessern und Schmerzen reduzieren. Bei regelmäßigem Training kann auf diese Weise die Lebensqualität bei Rheuma deutlich gesteigert werden.
Diesen Artikel kommentieren